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Sprachstörung




Neben den vielen Demonstrationen für unsere Demokratie und gegen Rechtsextremismus, die seit Wochen großen Zulauf haben, gibt es auch weiterhin Demonstrationen, deren Zulauf zwar geringer geworden ist, die allerdings ebenso Aufmerksamkeit generieren. Landwirte und Mittelstand setzen weiterhin Traktoren und Transporter in Bewegung, um auf ihre Anliegen hinzuweisen. Beides hat miteinander zu tun, doch dazu später.


Betrachtet man die auf den Bauern- und Mittelstands-Demos geäußerten Anliegen, so sind die Forderungen im konkreten auf Entlastungen (Agrar-Diesel, Beibehaltung des reduzierten Umsatzsteuersatzes, Bürokratie) gerichtet, für den Betrachter schwingt angesichts der Proteste und der dargebotenen Plakate und Reden aber auch ein wenig Revolutions-Feeling mit. Und das ist fatal. Fatal, weil es nicht dazu führen wird, dass sich bei den vorgetragenen Wünschen etwas ändert. Wer glaubt ernsthaft daran, dass die Bundesregierung den Agrardiesel weiter subventioniert, wenn Ampeln an Galgen umhergefahren werden und man dort ohnehin erkannt hat, dass man die Subventionierung nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise zurücknimmt? Das wird nicht passieren, so viel Selbstachtung hat auch eine angeschlagene Regierung.


Es ist vor allen Dingen fatal, weil es denen, gegen die die Vielen Woche für Woche demonstrieren, in die Hände spielt. Denen, die die Systemfrage stellen. Unterstellt natürlich, dass Landwirte und Mittelstand die Systemfrage nicht stellen. Zumindest nicht alle. Denn es entsteht der Eindruck, als regiere eine chaotische, unfähige Truppe arroganter Ungebildeter über ein wehrloses Volk. Was bei allem auch berechtigtem Unmut über die gegenwärtige Regierungspolitik schlicht nicht der Fall ist. Schon gar nicht handelt es sich um eine Art Diktatur. Systemfeinde nutzen die Bilder des Protests, mischen sich darunter, lenken das Wasser der durchaus zurecht Unzufriedenen über ihre populistischen Mühlen. Das Zerrbild wird verstärkt.


Natürlich ist es legitim, Unzufriedenheit mit der Regierung zu äußern, Kritik zu üben. Das ist der Kern der Demokratie. Es ist auch legitim, Interessen zu formulieren und diese gegenüber Regierung und Opposition zu vertreten. Das ist sogar geboten und hilft im politischen Betrieb enorm, denn das tiefe Fachwissen, wie es nur unmittelbar Betroffene haben, kann in der Politik so gar nicht vorgehalten werden. Daher ist Interessenvertretung ja im Kern auch etwas Gutes, denn sie sorgt für einen Wissenstransfer. Die Frage ist, ob es klug ist, berechtigte Kritik mit Diffamierung zu vermengen. Ob es Sinn macht, Thomas-Müntzer-gleich, eine imaginäre Mistgabel in der Hand, eine Forderung, die schon zu dem Zeitpunkt, als sie von der Bühne aufpeitschend in die Menge gebrüllt wurde, nicht mehr erfüllbar war, als absolutes Minimum zum Beenden des Protests auszurufen. Wenn man auf einen Baum kraxelt muss man sich vorher Gedanken machen, wie man wieder runterkommt. Oder, vielleicht passender: wer einen Krieg beginnt, sollte wissen, was nach dem Krieg kommt. Viele andere haben zudem auch dankbar zur imaginären Mistgabel gegriffen und aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht. Das Gastgewerbe und die Hotellerie, die - verständlicherweise - gern weiter nur den reduzierten Umsatzsteuersatz für Speisen und Getränke abführen würden. Der Mittelstand, der sich beladen sieht von Energie- und Bürokratiekosten und dessen Forderung sich mit „Ampel weg“ zusammenfassen lässt, denn nach der Ampel scheint das Land zu kommen, in dem Honig und Milch fließen, weil „die ungebildeten Unfähigen“ - Stichworte Kinderbuchautor und Studienabbrecher - dann nicht mehr am Ruder sind.


Man erreicht damit schlicht nichts, außer eine gestörte Gesprächsatmosphäre zu denjenigen, die noch mindestens zwei Jahre die Ansprechpartner sein werden. Vielleicht noch darüber hinaus. Und man zeigt, dass man jegliches Gefühl für professionelle Interessenvertretung verloren hat. Von einer derartigen Krawallpolitik haben diejenigen, die man vertritt, die eigenen Mitglieder im Verband, keinerlei Vorteile, im Gegenteil. Was diese Aktionen gezeigt haben, ist mangelnder Respekt. Sicherlich auch durchaus seitens der Bundesregierung, deren Spitzen in einer Nachtsitzung entschieden haben, bei den Landwirten könne man die fehlenden Mittel auftreiben. Allerdings ist professionelle Interessenvertretung in der Lage, sich in die Entscheidungsprozesse von Politik hineinzudenken und reagiert mit konstruktiver Kritik und nicht mit einer Kriegserklärung, auch wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Auge um Auge ist kein Lösungsansatz. Man trifft sich immer mehrfach im Leben und selbst, wenn einzelne Akteure nicht nachtragend sind, man darf unterstellen, dass sich der Jahreswechsel 2023/2024 durchaus einen Platz im Gedächtnis der Handelnden schafft. Das trifft auch auf die Politiker der FDP zu, die man ja möglicherweise gedanklich schon abgeschrieben hat, die sich aber vielleicht auch halten. Oder wiederkommen.


Viele Verbände, insbesondere diejenigen, die sich an die Bauernproteste angehangen haben, tuen gut daran, ihre Vorgehensweise in der Interessenvertretung kritisch zu überprüfen und die Strategien nachzuschärfen. Die Aufgabe ist es jetzt, das zerbrochene Porzellan einzusammeln und neues Vertrauen zu schaffen. Das wird kein einfacher Weg werden aber er ist gangbar. Der Bauernverband hat öffentlich vorgeführt, dass er nicht mehr der Herr der Lage ist. Dort stimmt weder die Kommunikation in die Mitgliedschaft, noch zur Politik. Die Strategie, vielleicht auch die Organisation, muss völlig neu aufgesetzt werden.

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