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Alles neu im März




Die Änderungen des Lobbyregistergesetzes greifen ab März kommenden Jahres. Sie bringen für die Interessenvertretung deutlichen administrativen Aufwand mit sich und erfordern sorgfältige Arbeit. Doch um die Bürokratie, die die Änderungen mit sich bringt, soll es an dieser Stelle gar nicht gehen. Vieles von dem, was gefordert wird, erscheint schlüssig und mag auch sinnvoll sein. An dieser Stelle soll es um die inhaltliche Transparenz gehen.


Dazu ist es zunächst nötig, zu betrachten, für wen das Lobbyregister eigentlich von Interesse ist. Klar, rein formal für die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf diese Weise informieren können, wie Regelungen zustande gekommen sind, welche Argumente ausgetauscht und dann schlussendlich übernommen wurden. Oder eben nicht. Allerdings: die Zahl derjenigen Bürger, die auf dieses Instrument zurückgreifen werden, dürfte sich in einem überschaubaren Rahmen bewegen. Das Lobbyregister ist zu allererst ein Instrument der Medien und des politischen Gegners, vorwiegend der jeweiligen Opposition.


Interessenvertretung wird hierzulande klassifiziert in vermeintlich gute Interessenvertretung, die von NGOs, Umwelt- und Klima- oder Sozialverbänden geleistet wird. Böse oder per se verdächtige Interessenvertretung betreiben Unternehmen, Wirtschaftsverbände oder allgemein Interessenvertreter, die gegebenenfalls ein wirtschaftliches Interesse haben. Das haben vom Grunde her betrachtet alle Interessenvertreter, denn nahezu jede Regelung wirkt sich in der einen oder anderen Art und Weise auf die wirtschaftliche Betätigung aus, was aber auch an dieser Stelle müßig ist, zu diskutieren, da die öffentliche Wahrnehmung eben so ist, wie sie ist.


Künftig müssen Interessenvertreter ihre Stellungnahmen und Gutachten, die sie zur Erreichung eines Regelungsziels an Entscheidungsträger senden, in das Lobbyregister hochladen, wo sie dann für acht Jahre gespeichert bleiben. Nun mag man bei den Begrifflichkeiten "Stellungnahme" und "Gutachten" an mehrseitige Ausarbeitungen denken, wie sie etwa für öffentliche Anhörungen der Fachausschüsse eingereicht werden oder auch im vorparlamentarischen Verfahren, in dem die Bundesregierung entsprechende Verbände anhört und um Stellungnahmen zu einer geplanten Regelung bittet. Dem ist nicht so. Es muss nicht "Stellungnahme" oder "Gutachten" über dem stehen, was als solche im Sinne des Lobbyregistergesetzes gewertet wird. Es kommt auf den Inhalt an. Eine Email, eine SMS, eine WhatsApp-Nachricht an einen Entscheidungsträger, die ein Argument hinsichtlich einer geplanten Regelung enthält, ist eine "Stellungnahme / Gutachten" im Sinne des Lobbyregistergesetzes und muss entsprechend in das Lobbyregister eingestellt werden.


Das stellt Anforderungen an eine neue Qualität der Interessenvertretung. Im Lobbyregister steckt dann nämlich eine ordentliche Portion Verhetzungspotential. Der Entscheidungsträger muss damit rechnen, dass schon im laufenden parlamentarischen Verfahren, etwa vor der 2. und 3. Lesung des entsprechenden Gesetzes, das Lobbyregister seitens der Medien und der Opposition dahingehend durchforstet wird, welche Änderungen am Gesetzentwurf auf welche Interessenvertretung, und hier natürlich auf die böse Lobby, zurückgehen. Hochproblematisch sind dann Formulierungsvorschläge für einzelne Regelungen, die von Entscheidungsträger übernommen werden. Der Vorwurf, "die Lobby" schreibe direkt die Gesetze, stünde dann schwer widerlegbar und gut dokumentiert im Raum.


Verwendete Argumente müssen also zukünftig zwei Perspektiven Stand halten. Zum Einen der gesellschaftlichen. Ein Argument muss gesellschaftlichen Nutzen bringen. Und zum Anderen der Perspektive des Entscheidungsträgers. Er steht im latenten Rechtfertigungsdruck, wenn er ein Argument aufgreift. Es muss also auch aus der Perspektive des Entscheidungsträgers etwaiger Kritik standhalten. Das ist zunächst natürlich personenabhängig, jeder geht mit potentieller Kritik anders um, aber auch eine institutionelle Frage. Professionelle Interessenvertretung muss die Perspektive der Entscheidungsträger einnehmen und berücksichtigen können beim Aufbau einer Argumentationsstrategie. Diejenigen, die das können, werden auch mit der zusätzlichen Bürokratie, die die Neuerungen des Lobbyregistergesetzes mit sich bringt, fertig werden. Alle anderen sollten sich prüfen. Oder prüfen lassen.

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